Mit dem „Gütesiegel Heimatdorf 2019“ ist die Gemeinde Untermerzbach (Lkr. Haßberge) aus einem Wettbewerb des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen und für Heimat als einer der Preisträger hervorgegangen. Die Prämie wurde neben Projekten zu Brauchtum, Kultur (u.a. Kulturinventarisierung, Sanierung von Felsenkellern), Aufarbeitung der Ortsgeschichte und der örtlichen Traditionen (Kulturprogramm „Zeitgenössisch und Traditionell“) auch für die Erhebung der heimischen Dialekte verwendet. Auf Empfehlung von Bezirksheimatpfleger Prof. Dr. Klaus Reder wurde das UDI als wissenschaftlicher Partner mit den Dialekterhebungen in der Gemeinde Untermerzbach beauftragt. Aufgrund der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie musste die Durchführung des Projekts jedoch zweimal verschoben werden. Im September 2021 wurde ein Forschungsvertrag für dieses Drittmittelprojekt zwischen der Universität Würzburg und der Gemeinde Untermerzbach geschlossen, wobei die Sach- und Personalkosten weitgehend von der Gemeinde finanziert wurden.
Mitte September 2021 gab es ein Vorbereitungstreffen im Untermerzbacher Rathaus mit dem Bürgermeister und weiteren Vertretern der Gemeinde. Direkt im Anschluss fand die Projektvorstellung vor potentiellen Gewährspersonen aus sechs Ortsteilen statt. Hierbei konnten bereits die meisten Termine für die eigentliche Dialekterhebung vereinbart werden. Dank der umkomplizierten und äußerst guten Unterstützung durch die Gemeinde gelang es, auch in den noch fehlenden drei Ortsteilen relativ schnell geeignete Dialektsprecher zu finden, die sich in der geplanten Erhebungswoche für eine Befragung zur Verfügung stellten.
Anfang Oktober 2021 fanden dann die Erhebungen in den neun Gemeindeteilen innerhalb von einer Woche statt. In Form von Gruppeninterviews wurden kompetente Dialektsprecher der älteren Generation (insgesamt 20 Probanden zwischen 62-86 Jahren) in den Ortsteilen Buch, Gereuth, Gleusdorf, Hemmendorf, Memmelsdorf, Obermerzbach, Recheldorf, Untermerzbach und Wüstenwelsberg anhand eines Fragekatalogs mit rund 400 Fragen vor allem zu lautlichen, morphologischen und lexikalischen Phänomenen befragt. Selbstverständlich wurden die Dialektbefragungen auch digital aufgenommen.
Von Januar bis April/Mai 2022 haben studentische Hilfskräfte die Tondokumente geschnitten, die in der Lautschrift Teuthonista notierten Antworten der Gewährspersonen kodiert und alle Kodate wieder in einer Datei zusammengeführt. Diese Datei steht als Excelliste unter der Rubrik Erhebungsdaten zur Ansicht bereit, hier sind auch alle Tondokumente als wav-Dateien zu finden sowie die Scans der Fragekataloge mit den in der Lautschrift Teuthonista transkribierten Antworten der Probanden.
Die Erhebungsdaten aus allen neun Gemeindeteilen bildeten im Sommersemester 2022 die Forschungsgrundlage für ein sprachwissenschaftliches Seminar zum Thema „Dialektologische Forschungspraxis“. Im Rahmen dieses Seminars im Modul Analysepraxis waren die Studierenden aktiv in den Forschungsprozess eingebunden, indem sie die Erhebungsdaten auswerteten und die Kartographie als Methode der Datenpräsentation erprobten. Aufgrund der Teilnehmerzahl von nur acht Studierenden war es jedoch nicht möglich, im Rahmen des Seminars auch die Vergleichsdaten aus 22 naheliegenden Erhebungsorten des Sprachatlas von Unterfranken (SUF) und des Sprachatlas von Nordostbayern (SNOB) in die Auswertung miteinzubeziehen. Dennoch leisteten die Seminarteilnehmerinnen und -teilnehmer mit ihrer Auswertung der Untermerzbach-Daten in Form von händisch gezeichneten Karten bereits wichtige Vorarbeiten für die spätere digitale Kartenerstellung. Denn anhand ihrer Karten wurde sichtbar, für welche sprachlichen Phänomene sich Grenzlinien (Isoglossen) zwischen zwei oder auch mehr dialektalen Realisierungen im Gemeindegebiet zeigen.
Ab Oktober 2022 bis März 2023 waren statt der ursprünglich geplanten Seminarteilnehmerinnen und -teilnehmer nun studentische Hilfskräfte mit der Extrahierung der Vergleichsdaten von 22 SUF- und SNOB-Erhebungsorten zu 80-90% der Erhebungsfragen aus der Bayerischen Dialektdatenbank (BayDat) beschäftigt. Diese Arbeitsphase gestaltete sich aufwändiger und zeitintensiver als angenommen, deshalb wurde in Absprache mit der Gemeinde die Projektlaufzeit um ein halbes Jahr verlängert.
Im März/April 2023 wurde gesichtet, welche Erhebungsdaten sich für eine kartographische Darstellung der Auswertungsergebnisse eignen und welche nicht. Verschiedene Aspekte waren hierfür ausschlaggebend:
- aus den SNOB-Erhebungen lagen entweder keine oder zu wenige Belege vor;
- im gesamten Untersuchungsgebiet, das heißt in den neun Ortsteilen der Gemeinde Untermerzbach sowie in den 22 SUF- und SNOB-Erhebungsorten, wurden ausschließlich oder weitgehend identische Realisierungen erhoben, die sich zudem großräumig nach Westen und Osten fortsetzen;
- im gesamten Untersuchungsgebiet wurden viele unterschiedliche Realisierungen erhoben, die nur ein äußerst diffuses Kartenbild ohne räumliche Verteilung ergeben hätten.
Schlussendlich wurde festgelegt, dass die Erhebungsdaten in Form von 65 Karten ausgewertet und kurz beschrieben werden: 41 Karten zum Vokalismus, 5 Karten zum Konsonantismus, 4 Karten zur Morphologie (Formenbildung), 14 Karten zur Lexik (Wortschatz) und eine Karte zur Syntax (Satzbau).
Seit April 2023 sind die studentischen Hilfskräfte nun mit dem Zeichnen der digitalen Karten mit dem Programm ArcGisPro (Esri) befasst. Die Karten und Texte zum Konsonantismus, zur Morphologie und zur Lexik sind fertig und stehen unter der Rubrik Auswertungsergebnisse zur Ansicht zur Verfügung. Im Herbst 2023 folgen sukzessive die Karten und Texte zum Vokalismus und zur Syntax.
Bis Ende 2023 sollen dann alle Auswertungsergebnisse vorliegen. Sie versprechen interessant zu werden, da sich die Gemeinde Untermerzbach nicht nur direkt an der Schnittstelle zweier Bezirke befindet, sondern hier auch Dialekte wie Hennebergisch und Itzgründisch bzw. Dialekträume wie Unter- und Oberostfränkisch aufeinandertreffen.
Über die Arbeiten rund um dieses Projekt sowie über Forschungsergebnisse wird Monika Fritz-Scheuplein bei einer Veranstaltung am Freitag, 29. September 2023 in Untermerzbach informieren. Bei dieser Veranstaltung präsentieren sich auch alle anderen Projekte, die mit Hilfe des Preisgeldes für „Gütesiegel Heimatdorf 2019“ durchgeführt werden konnten.
Erhebungsdaten
- Scans der Fragekataloge
Buch
Gereuth
Gleusdorf
Hemmendorf
Memmelsdorf
Obermerzbach
Recheldorf
Untermerzbach
Wüstenwelsberg - Tondokumente
folgen in Kürze - Excelliste mit allen Erhebungsdaten aus den neun Gemeindeteilen
Erläuterungen zur Ergebnisanzeige
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Auswertungsergebnisse
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